Aufrecht Konstruktionsvollholz als zentrales Gestaltungselement bei einem Einfamilienhaus und einem Schulneubau.
Die Größenunterschiede der Vollholzstäbe bei der Grundschule in Rahewinkel lassen ein lebendiges Fassadenbild entstehen. Foto: Ulrich Hoppe
Auf eine bis dahin ungewöhnliche Weise entstand das „Pure Wood House“ in Linz-Urfahr, dessen Gebäudekonstruktion ausschließlich mit massivem Holz, also ein-stofflich ohne jegliche Dämmung, Isolierungen oder sonstige synthetische Stoffe, realisiert wurde. Aneinander stehend angeordnete Kanthölzer mit einer Länge von bis zu 14 m bilden den Gebäudekörper. In Linz erfolgte der Verbund zwischen den stehenden Kanthölzern (6 x 12 cm) mit quer zur Längsrichtung eingetriebenen Gradleisten aus Holz. Es gibt insofern auch keinen Leim, Klammern oder Nägel etc. Dass diese Art zu bauen Zukunftspotenzial besitzt, zeigt auch der 2017 eröffnete Neubau der Volksschule Rahewinkel in Hamburg: Für die Fassade wurden Lärchenvollholzstäbe aus dem dichten Baumbestand des Umfeldes für einer Holzfassadenkonstruktion verwendet.

All-in-one
Schon lange wird mit Vollholz beim Wandaufbau gearbeitet, zumal beispielsweise ein traditionelles Blockhaus auch hinsichtlich der Dämmung ideale Eigenschaften besitzt. Ein bauphysikalisches Alleinstellungsmerkmal von Holz besteht eben darin, dass es sowohl als Dämmstoff als auch als Speichermasse betrachtet werden kann. Abgesehen davon führt der ein-stoffliche Wandaufbau dazu, dass sich keine schädlichen Stoffe in der Wand befinden. Schließlich lässt sich ein solches Objekt später auch ganz einfach recyceln, was zu einem positiven CO2-Footprint führt. Die Konstruktion eines Blockhauses aus Vollholz mit horizontal übereinanderliegenden Balken bringt jedoch auch gewisse bauphysikalische Probleme mit sich: So lässt die Setzung – oder Sackung – das Objekt in vertikaler Richtung schrumpfen. Aus diesen Überlegungen heraus wurde für das Projekt „Pure Wood House“ das Vollholz aus Gründen der Statik nicht horizontal aufeinander gelegt, sondern vertikal nebeneinander gestellt. Holz schwindet quer zur Faser etwa 10 x so stark wie längs zur Faser. Sowohl die äußere Ansicht des Hauses als auch der aus dem Gebäudekörper im Inneren frei „herausgeschnittene“ Hohlraum gibt dabei die Materialität des Hauses authentisch wieder; d.h. an den Wänden sieht man die Maserung der schräg angeschnittenen Kanthölzer, an den Decken und Böden das Stirnholz.

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Bei dem Einfamilienhaus von Michael Shamiyeh in Linz-Urfahr entspricht der Grundriss dem Aufriss. Foto: Kurt Hoebst

Monolith
Der in der Gebäudehülle „herausgeschnittene“ Hohlraum zieht sich in freier Form vom Erdgeschoss bis ins Dach. Eine Besonderheit stellt der Umstand dar, dass der fast quadratische Grundriss auch dem Aufriss entspricht, wofür bei dem Einfamilienhaus mit fließend ineinander übergehenden Räumen durchaus funktionelle Gründe eine Rolle spielten. Aufgrund großer Glasflächen, die direkt in den Steinboden eingelassen sind, sind die Räume im Erdgeschoss sehr transparent, während nach oben hin bewusst weniger Lichteinfall zugelassen wird. Insgesamt hat das Objekt mit zwei Geschossen und einem Dachgeschoss eine Nutzfläche von 300 m2. Die Dreidimensionalität der Vollholzstäbe (60x60 bzw. 60x120 mm) spiegelt sich beim Schulneubau auch im Innenraum wider und sorgt für eine gute Lernatmosphäre.

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Foto: Ulrich Hoppe

Prototypisch
Die komplexe Planung des Wohnhauses, die Suche nach geeigneten ausführenden Firmen sowie die mehre Monate andauernden Tests mit Prototypen nahm in Linz mehr als 4.000 Stunden an Entwicklung und Baubegleitung in Anspruch. „Wenn man auf diese Weise baut, muss man bis hin zur ­Türschnalle alles vorher wissen“, so der Bauherr und Architekt Michael Shamiyeh, der sich an der Linzer Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung mit Innovation befasst und dabei ­ebenfalls nach radikalen Lösungen sucht. Sein Haus wurde in Low-Tech konzipiert, d.h. es gibt im gesamten Gebäude auch keine kontrollierte Wohnraumlüftungen oder elektronisch gesteuerte Jalousien etc. Vielmehr wurde darauf geachtet, das Haus architektonisch so zu konzipieren, dass sowohl im Winter als auch im ­Sommer ein qualitativ hochwertiges Raumklima herrscht. (tdu)
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