Im Bregenzerwald findet man sehr freundliche, sehr bestimmte, bisweilen eigensinnige Menschen. Und eine fast schon sture Tradition der Zusammenarbeit. Auch über verschiedene Gewerke hinweg. Vielleicht ein Vorbild. 

Beim Umbau der „Krone“ wurden viele Meinungen eingeholt und zusammen geholfen, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Foto: Hotel Krone/Adolf Bereuter

Es sind nur 23 ziemlich kleine Gemeinden mit überschaubaren 32.000 Menschen. Die leben in einem Gebiet südöstlich von Bregenz, von Sulzberg im Norden und Schröcken und Warth im Süden. Es ist ein welliges Hügelland, umzäunt von steilen Bergflanken.

Vielleicht sind es die Jahrhunderte, in denen sich die Leute hier selbst verwalten konnten, die Bauernrepublik, die Stolz und Hartnäckigkeit ins Stammbuch der Bregenzerwälderseele geschrieben haben. Jedenfalls sind die Wälder in vielen Disziplinen groß geworden, sind über sich und ihre kleine Heimat hinausgewachsen. Haben im Handwerk, im Holzbau zumal und in der Architektur Zeichen gesetzt, die anderswo nicht zu finden sind. Wie gelang das? Und was könnten wir daraus lernen?

Zauberwort Zusammenarbeit

Eines der Zauberworte heißt wohl Zusammenarbeit. "Wir sind es hier gewohnt, Aufgaben gemeinsam zu lösen, wir lieben das" sagt Dietmar Nussbaumer, der in Hittisau das Hotel Krone leitet, gemeinsam mit seiner Frau, und der auch leicht den Beweis führen kann, hat er doch die Krone, vis à vis der Kirche am Hauptplatz von Hittisau, schon aufwendig renoviert. Er hat sie alle zusammengebracht, die Handwerker aus der Umgebung, damit sie gemeinsam zur besten Lösung kommen, rund um den Architekten Bernardo Bader, auf den er schwört, mit dem Zimmerer Nenning aus dem Dorf, mit dem Tischler Rüscher aus Schnepfau, den Malermeistern Martin Lässer und Michael Fetz aus Alberschwende oder dem Polsterer Johannes Mohr aus Andelsbuch.

Meister an einem Tisch

Das ist schon lange her und wird auch heute noch so gehalten, diese Zusammenarbeit. Oft setzen sich die Meister und Meisterinnen an einen Tisch (was ja in der Krone höchst angebracht ist), um neue Pläne zu studieren und Lösungen dafür zu finden. Kooperation statt Konkurrenz – ist es ein Zukunftsmodell? Holt man damit das Handwerk in eine globalisierte Welt? Hermann Kaufmann, der in Schwarzach lebt und die erste Professur Holzbau an der TU München aufbaut, ein Pionier des modernen Holzbaus schrieb: "Da gab es immer auch Einzelne, Wagemutige. Und heute sind Architekten von hier über die Grenzen gefragt, arbeiten Zimmerleute europaweit, sind Tischler auf internationalen Messen zu Hause".

Handwerk stellte aus

Umgekehrt geht es auch: Schon zehn Mal haben die Bregenzerwälder die Welt nach Hause geholt, zuletzt im August 2019 in Bezau. Die "Handwerksausstellung 2019" zeigte eindrucksvoll, wie man hier die Zusammenarbeit lebt. 115 Handwerker haben sich in den Bezauer Wirtschaftsschulen zur Schau versammelt und haben ihre Küchen, Holzbauten, Betten oder Zäune gezeigt. Alle 5 Jahre nur trifft man so zusammen, schließlich hat man ja auch noch etwas anderes zu tun.  

Familien-Aufstellung der Handwerker

Aber wer von Klassenzimmer zu Klassenzimmer wanderte, also vom Showroom zu Showroom, von der Tischlerei Bereuter zur Moosbrugger Malerei-Werbetechnik und von der Tischlerei MK Konrad zu den Betten vom Zirbenwolf oder den Naturbettwaren von Wolena, der fand sich in einer Familien-Aufstellung wieder. Jeder kennt jeden und irgendwie haben anscheinend alle mit allen zusammengearbeitet.

"Das macht sicher unsere Stärke aus" bestätigt uns Kaspar Greber, der Zimmermeister aus Bezau, der im Freigelände seine Arbeiten zeigt. Ihm ist daher auch nicht bang, wenn es um die Zukunft des Handwerks geht. Und Vorfertigung habe man immer schon betrieben, falls das noch moderner werden sollte.

Innovation gehört dazu

Auch Johannes Kaufmann, der Architekt und Zimmermann, der in Dornbirn und Wien Architekturbüros betreibt und in Reuthe gerade "Kaufmann Zwei" gegründet hat, sieht Kooperation als Schlüsselwert, um erfolgreich zu sein. Die Raummodule, die er baut und in Bezau ausstellt, sind aber auch ein innovatives Stück Bregenzerwald. Allein auf Kooperation zu bauen, wäre dann doch zu wenig. 

Werkraum Bregenzerwald

Und doch zeigt ein weiteres Beispiel, das man sich hierorts nehmen kann, wie das Zusammenspiel funktionieren kann: Am Werkraum Bregenzerwald.Mittlerweile ist dieser Werkraum schon in die Jahre gekommen, heißt: hat sich bewährt. Der Werkraum ist ein Gemeinschaftshaus der Handwerker, eine ganze Vitrine voller guter Stücke, ein Haus als Ausstellung und Diskussionsraum. So was leisten sich die Wälder. Und zeigen damit den Einheimischen und den immer zahlreicher hereinströmenden Touristen, wo es lang geht, wenn sich etwas ums Bauen und Wohnen dreht.

Das 100-Betriebe-Netzwerk

Der Trägerverein Werkraum Bregenzerwald formuliert seine Agenda so: "Im Werkraum sind rund 100 Betriebe aus dem Bregenzerwald zusammengeschlossen. Die Mitglieder sind klassische Handwerksbetriebe, mittelständische, in der Regel familiengeführte Unternehmen, manche mit einer reichen Tradition. Das Handwerk ist bestimmend für die regionale Wirtschaft und Kultur. ... In den Veranstaltungen, Aktionen und Gesprächen schafft der Verein die Rahmenbedingungen für effiziente Kooperationen und Netzwerke. Mit verwandten Institutionen entsteht eine regionale und überregionale Vernetzungsdynamik, unter den Mitgliedern bilden sich temporäre und eigenständige Arbeitskooperationen. "

Die Globalisierung kann kommen. Vielmehr, sie ist schon da. Und neben immer größeren Holzbauten im industriellen Maßstab wachsen und gedeihen die kleineren Einheiten, die Tüftler und Perfektionisten in den Betrieben, die zeigen, warum man das Handwerk immer brauchen wird. Zumindest im Bregenzerwald. (hst)

 

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