Soll Ministerin Köstinger (ÖVP-Türkis) die Holzindustrie zur Abnahme von Käferholz verpflichten dürfen? Eine ganze Armada von Funktionären (viele ÖVP-Schwarz) sagt vehement „NEIN!“.

Fichten- (und Tannenholz)preise) in Euro. Die grüne Linie bezeichnet den 10-Jahresschnitt 2010-2019. Quelle: ÖSTAT

Ein Käfer frisst sich durch die ÖVP. Denn so ziemlich das komplette Establishment der Holzwirtschaft steht der ehemaligen Wirtschaftspartei nahe. Nur sind die meisten Herr- und Frauschaften in der Wolle gegerbte „Schwarze“. Sie hatten bisher wenig Grund, am innerparteilichen Farbwechsel zum Türkisen mehr als Marginalien zu bemängeln.

Jetzt aber bringt eine kurze Passage die Damen und in der Mehrzahl Herren auf die Fichte. Und die lautet so:

„Ist in Zeiten einer gefahrdrohenden Massenvermehrung von Forstschädlingen die Sicherung der nachhaltigen Waldbewirtschaftung einer bestimmten Region gefährdet, so kann die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus durch Verordnung nähere Anordnungen zur einer auf die Dauer dieser Gefährdung zeitlich befristeten Abnahmeverpflichtung holzverarbeitender Betriebe von Schadholz aus dieser Region vorsehen. Als Region ist ein Gebiet im Umkreis der jeweiligen holzverarbeitenden Betriebe festzulegen, das je nach Lage der gefährdeten Waldflächen auch Gebiete angrenzender Staaten umfassen kann.“


Diese Passage soll ins Forstgesetz aus dem Jahr 1975 geschrieben werden, so wünscht sich das die für Land- und Forstwirtschaft zuständige Ministerin Elisabeth Köstinger. Soweit man das derzeit überblicken kann, hat nur der Österreichische Forstverein eine verhalten positive Stellungnahme abgegeben – Kunststück, der Forstverein vertritt jene, die von der Gesetzes-Änderung profitieren würde.

Worum es geht: Seit Jahren, und seit 2018 mit großer Intensität, frisst sich der Borkenkäfer an der Rinde der heimischen Fichte satt. Der Klimawandel und die Fichtenholz-Plantagen in Mitteleuropa und eben auch in Nieder- und Oberösterreich sind eine schlechte Mischung: Das Klima bringt den Hitzestress und die Monokultur schnelle Verbreitung. Hektarweise müssen die Bäume möglichst rasch aus dem Forst geholt und in Sägewerken verarbeitet werden.

Das Holz verliert an Wert, aber es ist nicht wertlos: Lagerhallen oder Bauholz kann daraus gefertigt werden, der drohenden Bläue des Holzes entgeht man durch rasches Handeln: Die Wandersäge kommt wieder in Mode, also sozusagen das mobile Sägewerk besucht die Landwirte, die 100 oder 200 Festmeter zu schneiden haben. Größere Mengen gehen ans Sägewerk.

Hier fängt das nächste Problem an: Die Sägewerke sind rammelvoll, wer durchs Waldviertel oder durch Bayern fährt, kann Sägen sehen, die von ihrem Werkstoff regelrecht zugeschüttet erscheinen. Alle wollen jetzt ihr Holz sägen lassen.

Das lässt wiederum die Preise purzeln. In Tschechien und in Bayern seien diese schon „existenzbedrohend“, wie der Österreichische Waldverband schreibt: „Die existenzbedrohenden Tiefstpreise in Bayern und Tschechien üben zudem einen fortdauernden Preis- und Mengendruck nach Österreich aus.“ 

 

Fichtenholzpreise Entwicklung 

 

Der niedrige Preis ist für viele Land- und Forstwirte mittlerweile zu einer Riesensorge geworden. Doch auf der anderen Seite können sich die Käufer freuen, die Sägewerke, die weiterverarbeitende Holzindustrie, die Papiererzeuger – und schließlich der Holzbau und der Endkunde. In einer idealen Welt. In der wirklichen Welt sieht es etwas anders aus.

Fachverband Holzindustrie: „Katastrophale Folgen“
Die Sägewerke sind, man könnte sagen, entgeistert: Die Einschnitte ins Recht der Vertragsfreiheit, die Unklarheiten in den Bestimmungen und die Überwälzung des Schadens auf eine Branchengruppe macht die Vertretung von Presse-Erklärung des Fachverbandes mehr als unglücklich. In einer Aussendung titelte man: „Fortsgesetznovelle: Katastrophale Folgen für das Holzland Österreich“. „Eine gesetzliche Abnahmeverpflichtung von Schadholzmengen untergräbt die Vertragsfreiheit, führt damit Unternehmensentscheidungen ad absurdum und schwächt die Betriebe dort, wo derzeit Jobs am meisten gebraucht werden, nämlich in den ländlichen Regionen“, sagt deren Sprecher Herbert Jöbstl. Siehe das Interview mit Jöbstl auf „holzmagazin.com“. Es werden negative Folgeeffekte für die ganze Holzkette befürchtet. Begutachtungs-Stellungnahme des Fachverbandes.

Industriellenvereinigung: „Erhebliche Irritationen“
Vom Schwarzenbergplatz kommt eine Stellungnahme, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übriglässt: „Eine solche Abnahmeverpflichtung würde erheblich in die freie Marktwirtschaft eingreifen und grundlegende verfassungs-und unionsrechtliche Fragen aufwerfen. Entsprechend löst der Vorschlag bei den von der Novelle betroffenen Mitgliedsunternehmen erhebliche Irritationen aus. Die IV steht dem gegenständlichen Entwurf einer Novelle des ForstG daher kritisch gegenüber.“ Stellungnahme der IV.

Bundeskanzleramt: „nicht unproblematisch“
Der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt schreibt: „Die vorgeschlagene Verordnungsermächtigung des §45 Abs.3 erscheint insbesondere im Lichte des Legalitätsprinzips sowie des Eigentumsrechts und der Erwerbsfreiheit nicht unproblematisch (Art. 18 B-VG, Art. 5 und 6 StGG).“ Die ganze Stellungnahme hier.

Forstverein: „Kritisch zu hinterfragen“
Die Vertretung der Forstleute freut sich über die geplante Begünstigung:  „... begrüßt der ÖFV, dass das BMLRT zur Sicherung der nachhaltigen Forstwirtschaft in Zeiten einer gefahrdrohenden Massenvermehrung von Forstschädlingen im Gesetz eine Verordnungsermächtigung zur zeitlich befristeten Abnahme von Schadholz für holzverarbeitende Betriebe vorsieht.“

Doch dann bemängelt selbst der Forstverein die Unklarheiten des Vorschlags: „Natürlich sind hoheitliche Maßnahmen, die einen grundsätzlich freien Markt beeinflussen können, kritisch zu hinterfragen. So sollte bereits aus der Verordnungsermächtigung hervorgehen, in welcher Menge eine Abnahmeverpflichtung bestehen könnte, mit welchem Radius die „Region“ um den holzverarbeitenden Betrieb definiert wird oder was unter zeitlich begrenzter Abnahmeverpflichtung zu verstehen ist. Wesentlich werden auch die Kriterien sein, ab wann eine VO tatsächlich zu erlassen sein wird.“ Die Stellungnahme des Forstvereins. 

Hier gehrt es zum Gesetzes-Vorschlag und zu den Stellungnahmen.

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Kommentar „holzmagazin“:

Selten hat ein Verordnungsentwurf so einmütige Reaktionen hervorgerufen. Zu Recht: Weder hat man „Regionalität“  definiert, noch den Anlassfall spezifiziert, unter dem die Ministerin zum Abnahmezwang schreiten darf, noch die maximalen Zeiträume, schon gar nicht ein relatives oder absolutes Preisband. Wahrscheinlich hat man sich das im Ministerbüro erspart, weil eine Realisierung dieses Vorhabens ohnehin abwegig erscheint. Das Ganze wird wohl ausgehen wie das Hornberger Schießen. Übrig bleibt vor allem das Wissen, dass zumindest eine weitere Ministerin der Regierung vor dirigistischen Zwangsmaßnahmen nicht zurückschreckt. Corona scheint abzufärben.

Herbert Starmühler

(hst)

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