Hanfkalk ist ein Material unserer Vergangenheit, das bald unsere Häuser und Städte als beliebtes Fassadenmaterial zurückerobern soll.
„Jede große Stadt hatte vor 100 Jahren noch eine große Hanfindustrie. Alles wurde aus dem Zeug gemacht“, erzählt Rupert Zallmann vom Architekturbüro MADAME und beschreibt, wie die Fasern zu Seilen verarbeitet wurden, die Blätter zu Medizin und die Stämme der Hanfpflanze zu Wänden. Alte Bauernhäuser bestehen noch komplett aus jenem Stoff, den die Bau-Branche nun für sich wiederentdeckt: Hanfkalk. Die Architekten bei MADAME sind Hanfkalk-Enthusiasten der ersten Stunde. Das enthalten sie niemandem vor. Eine kleine Konstruktion aus dem Baustoff steht an der Wand – quasi zum Anschauen und Befühlen für Kunden – und während dem Gespräch mit Rupert Zallmann mischen sich immer wieder Stimmen von allen Ecken des Büros ein und fügen Vorteile des Baustoffs an, die er ausgelassen hat. Doch woher kommt dieser Enthusiasmus für Hanfkalk?

In Vino Ideas
Für den Winzer Bernhard Liszt hat MADAME vor kurzem den Bau einer Weinhalle abgeschlossen. Während der untere Teil der Halle aus hygienischen und praktischen Gründen aus Beton und Glas besteht, wollten der Winzer und die Architekten oben einen heimeligen Wohnbereich mit einem warmen, gesunden Raumklima schaffen. „Die Wohneinheit über der Halle sollte für einen monolithischen Anblick komplett ohne Fugen auskommen“, berichtet Zallmann. „Zuerst wollten wir das mit Lehmstampf lösen, aber die Preise dafür sind zu hoch gewesen und deshalb haben wir uns nach Alternativen umgesehen. So sind wir dann auf Hanfkalk gestoßen und waren sofort begeistert.“ Und im Gegensatz zum Lehmstampf waren die Preise für den Hanfkalk nicht drastisch höher als bei konventionellen Wänden inklusive Isolierung: Circa 200 €/m2. Dabei hören die Vorteile des Hanfkalk aber nicht auf. Auch im Vergleich zum ähnlichen Lehmstampf. Er hat sehr gute isolierende Eigenschaften, die auf einer Stufe mit Styropor stehen, aber weitaus angenehmer für Menschen sind. Der Baustoff hat eine Lebenserwartung von über 100 Jahren. Außerdem ist er nicht brennbar, resistent gegenüber Wasserschäden, weil der Kalk in den Wänden mit dem Wasser arbeitet, und extrem leicht. Der Kalk in den Wänden zieht auch keinen Staub an im Vergleich zu Farben mit Plastik-Partikeln darin, da er sich nicht statisch auflädt. Und Ungeziefer stößt der Baustoff sogar ab. Auch beim Bau hören die positiven Effekt nicht auf wie Zallmann erklärt: „Hanfkalk ist ein monolithisches Material, das man sehr schnell aufbauen und selbst an der Baustelle mischen kann. Man sieht die Schichten des Materials nach dem auftragen. Dadurch wird jedes Gebäude zum Unikat.“





Am wichtigsten ist für ihn bei alldem aber, dass der Stoff ein gesundes, alkalisches Raumklima schafft. Der Stoff hält die Luftfeuchtigkeit im Raum durch seinen durchlässigen Aufbau bei 55 % und selbst bei wenigen Grad auf oder ab bleibt das Raumklima für die Bewohner angenehm.

Kopfgeld auf den Nachteil
Bei all diesen Vorteilen – passable Kosten, leicht aufzubauen, ökologisch und angenehm für die Menschen darin – muss Hanfkalk aber einen Haken haben. Rupert Zallmann widerlegt diese These: „Es ist sogar ein Kopfgeld auf den Nachteil ausgesetzt.“ Die einzigen Nachteile, die ihm einfallen, sind auch zu vernachlässigen. Zum einen hat der Hanfkalk recht eigenwillige Eigenschaften bezüglich Raumschall und dämpft recht stark. Bei einer Konzerthalle wäre also davon abzuraten. Zum anderen ist Hanfkalk nicht tragend. Man braucht also Steher aus Holz, um die Wände zu stabilisieren.
Ansonsten fallen ihm keine Projekte ein, bei denen er von Hanfkalk abraten würde. Überall, wo man auch zu Holz greifen würde, könne man ihn guten Gewissens einsetzen. Und da in Wien zum Beispiel schon ein Hochhaus aus Holz (HoHo Wien) entsteht, sind diese Grenzen äußerst weit gesteckt. Einzig vom Tiefbau oder von Tunneln – erklärt einer der Zwischenrufer im Büro von MADAME – würde man abraten. Doch woraus besteht Hanfkalk eigentlich? Der Name verrät schon die beiden Haupt-Bestandteile des Baustoffs: die Stammfasern von Hanf und ein hydratischer Kalk. Hinzu kommen Wasser und ein patentierter Stoff des Schweizer Unternehmens HempEcoSystems. Der sorgt dafür, dass man den Hanfkalk überhaupt so dick und so schnell auftragen kann. Dabei hilft MADAME den Schweizern, ihr Produkt im deutschsprachigen Raum zu etablieren und bringt es auch in weiteren Projekten ein. So zum Beispiel bei der BOKU Wien. Wo der Hanfkalk mit Eisenoxid zusätzlich auch teils rötlich eingefärbt werden soll. Wie stark das Team auf den neuen/alten Baustoff vertraut, ergibt sich schließlich auch aus der Antwort von Rupert Zallmann auf die Frage, ob man das Material denn auch in Zukunft verwenden wolle: „Ich würde mein Haus mit dem Zeug bauen.“ Die Zwischenrufer im Büro nicken zustimmend. (flb)


Foto: MADAME

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