Der Wohnbau mit Lehm hat eine lange Tradition, führt aber derzeit ein Nischendasein. Mit einem von Architekt Andi Breuss zum Patent angemeldeten Holz-Lehm-Verbundsystems soll diese Bauweise jetzt für die standardisierte Vorfertigung weiterentwickelt und eingesetzt werden.
Ein Wandaufbau umfasst bis zu 2 Meter mal 3 (maximal 3,2) Meter große Elemente, Lehmverschlusselemente zur Verbindung sowie spezielle Eck- und Sturzelemente. Foto: Breuss
Ziegel, Holz und Lehm gelten als beliebte Baustoffe. Das ergab eine im Herbst 2017 durchgeführte Onlineumfrage im Auftrag des Architekturbüros baukult. Rund zwei Drittel der Befragten würden demnach für eine Wohnung aus Holzfertigteilen gleich viel bezahlen wie für herkömmliche Wohnungen, 12% sogar mehr. Hemmnisse für einen größeren Holzbauanteil sind unter aber anderem Bedenken beim Schall- und Brandschutz. Ein vor Kurzem zum Patent angemeldetes Bausystem könnte diese Hindernisse bei Wohnungssuchenden zerstreuen.

Neues Holzlehmverbundsystem
Das neue Holzlehmverbundsystem von Andi Breuss kann für Gebäude jeder Art als vorgefertigtes Wandsystem so eingesetzt werden, dass keine weiteren Komponenten erforderlich sind. Eine tragende Holzständerkonstruktion mit Diagonalschalung und dazwischen liegender Wärmedämmung übernimmt die statischen Funktionen, speziell ausgebildete Lehmschichten an der Innen- und Außenseite erfüllen die bauphysikalischen und raumklimatischen Anforderungen.

Die einzelnen Schichten des Elementes werden als Verbundsystem miteinander kraftschlüssig verbunden und mit speziellen Trocknungsverfahren zu einem montagefertigen Verbundelement hergestellt. Die Lehmschichten werden so ausgebildet, dass diese allein durch unterschiedliche Zusammensetzungen die erforderlichen bautechnischen Anforderungen erfüllen können, ohne zusätzliche Dicht- oder Dämmstoffe.

Die Anschlussstellen der Bauelemente werden durch vorgefertigte Lehmverschlusselemente mit der gleichen bauphysikalischen Qualität vor Ort geschlossen. „Das Hybridsystem aus Leicht- und Massivbauweise basiert auf dem Holzriegelbau, erzielt aber bessere und höhere Wärmespeicherkapazitäten. Drei Geschoße und mehr können damit errichtet werden. Wesentlich ist, dass das System gänzlich ohne künstliche Baustoffe auskommt“, verweist Breuss.

Aufbau und Elemente
Bei der Erfindung ist die innere und äußere Lehmschicht unterschiedlich aufgebaut und zusammengesetzt, um die bauphysikalischen Anforderungen zu erfüllen und eine neue Qualität im Wohnraum zu schaffen. Die innere Lehmschicht ist eine schwere speicherfähige Masse, die Brand- und Schallschutz und die Luftdichtigkeit übernimmt. „Bereits ab einer Dichte von 900 kg/m3 gilt Lehm bei 15 mm Stärke als luftdicht“, informiert Breuss.

Um Ausführungsrisiken zu minimieren, wird die luftdichte Schicht so dimensioniert, dass Manipulationen durch die Nutzer (Bilder aufhängen, Dübel anbringen und ähnliches) keine Beeinträchtigung der Funktion haben. Weiters können in diese Schicht ohne Aufbringen einer zusätzlichen Installationsebene Leitungen und Dosen integriert werden.

Optimiertes Gewicht
Die äußere leichtere Schicht übernimmt zusätzlichen Wärmeschutz, die äußere Speichermasse und die Winddichtigkeit. Das Gewicht des Holz-Lehm-Verbundelements ist auf Vorfertigung abgestimmt und optimiert. Es bringt ein Gewicht von 205 – 250 kg/m2 (je nach Wandstärke) auf die Waage. Bei einem Wandelement mit einer Größe von 2 mal 3 Meter ergäbe das je nach Wandstärke ein Transportgewicht von 1000 bis 1400 kg.

Oberflächen können sowohl innen als auch außen frei gewählt werden. Das reicht von Putzfassaden bis zu hinterlüfteten Vorhangfassaden. Bei Fußbodenaufbau entspricht ein holzverdübeltes Brettstapelsystem den ökologischen Anforderungen von Breuss am ehesten.

Versuchsgebäude
Die Referenzen von ANDIBREUSS beim Bauen mit Lehm sind umfangreich und preisgekrönt. Für das neue Holzlehmverbundsystem wurde bereits 2016 eine Versuchswand hergestellt. In Vorbereitung ist die Errichtung eines Musterhauses, um den Montageablauf, die Verschlusselemente, alle Bauteilanschlüsse und die bauphysikalischen Anforderungen zu überprüfen. Wichtig sind für den Architekten weitere Erfahrungen mit verschiedenen Mischungen und Zusammensetzungen von Lehm im Hinblick auf eine Standardisierung.

„Wir wollen mit dem Musterhaus schlussendlich auch zeigen, dass das System nicht nur durch Vorfertigung und eine chemiefreie Bauweise besticht, sondern auch eine freie Gestaltung der architektonischen Form und der Fassaden anbietet“, verweist Breuss.

Um das HolzLehmVerbundsystem weiter voranzutreiben, sollen Forschungsinstitutionen, Holzbaubetriebe und Verarbeitungsbetriebe zur Mitwirkung an der Errichtung eines Musterhauses animiert werden. „Bauen mit Lehm hat eine lange Tradition und das Potenzial für industrialisierte Prozesse. Bei der Umsetzung stehen wir aber noch am Anfang“, sagt Breuss.
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